A Gschichtle vom Mohren-Bänkle
Tauchen Sie mit uns ein in vergangene Zeiten des Bergdorfs Oberstdorf und in den frühen Wandertourismus. Lesen Sie "a kluines Gschichtle" über echte Bergler, einen "Sommerfrischler" und einen störrischen Esel.
Der erste Schritt zum Bergglück
Eine Wanderung über die schönsten Gipfel der Allgäuer Alpen ist für uns heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Die überwältigende Freiheit die man spürt, wenn man nach einem fordernden Aufstieg seinen Blick über die Berge und hinab ins Tal schweifen lässt, ist heute nicht mehr wegzudenken. Dieses Gefühl ermöglichte uns unter anderem die Herausgabe des ersten Bergführers 1856. Durch ihre Tourenbeschreibungen wurden Dr. Otto Sendtner, Anton Waltenberger und Herman von Brath in nur wenigen Jahren von armen Hirtenbuben zu geachteten und bewunderten Bergführern. Durch noch zu wenig oder nicht vorhandene Wanderwege, war es üblich mit Bergführern die Alpen zu erklimmen. So auch in unserer kleinen Geschichte.
Gemütlich auf einem Bänkle sitzen, die Sonne genießen und dem Treiben zuschauen - Klingt ganz nach einem Nachmittag auf unserer Sonnenterrasse. Doch dieses Mal beginnt so unsere kleine Geschichte. Direkt am Mohren stand früher eine Bank - das Bergführer-Bänkle. Jeden Abend konnte man hier einige Bergführer antreffen, die für den nächsten Tag noch keine Tour vergeben hatten. An zwei Kästchen am Rathaus konnten die Gäste sehen, welcher Bergführer noch für eine Wanderung zur Verfügung stand und wer nicht.
In unserer Geschichte möchte ein Tourist hoch hinauf zum Nebelhornhaus, das heutige Edmund-Probst-Haus, das zu dieser Zeit vom Löwenwirt geführt wurde. In regelmäßigen Abständen trugen Mulis Lebensmittel, Getränke, Gebrauchsgüter und ab und an auch mal einen "faulen" Gast hinauf auf 1932 Meter. Dies war natürlich einen angenehme Art des Bergsteigens und wird heute durch unsere Bergbahnen ermöglicht. Diesen Service nutzte eines Tages auch ein "Sommerfrischler" des Gasthof "zur Sonne".
Nach einem unvergesslichen Tag auf dem Nebelhorn in luftiger Höhe brachte der Muli den Gast zurück ins Tal. Dort angekommen, ließ er sich, wie ein König, von dem sanftmütigen Reittier über den oberen Markt zum Oberstdorfer Marktplatz tragen. Sichtlich stolz ritt der Tourist am Hotel Mohren vorbei, bis der Muli direkt vor dem Bänkle der Bergführer hielt und seinen Heimweg zum "Löwen" antreten wollte. Der "Sommerfrischler" allerdings wollte in seine Urlaubsunterkunft dem Gasthof "zur Sonne" zurückkehren. Doch der Muli stellte sich stur und verweigerte den Dienst, trotz allen möglichen Tricks des Herren ihn in Bewegung zu bringen.
Gemütlich auf ihrem Bänkle sitzend betrachteten die Bergführer das amüsante Schauspiel, wohl wissend um den einzigartigen Charakter des Mulis. Vom Esel bloßgestellt und von den Bergführern belächelt ließ die Wut im Herren aus dem hohen Norden aufkochen.
Mit gereizter Stimme rief er deshalb den Führern zu: "Wa, wohl noch nie en störrischen Esel jesehen?"
Woraufhin einer der Bergler lachend antwortete: "Woll, woll uni schu. Abr no nia zwei aufanond!"
Die "Sommerfrischler"
In den 1870er Jahren begann in Oberstdorf eine Entwicklung, die das Bergdorf grundlegend verändern sollte. Die ersten auswärtigen Gäste hatten Oberstdorf als Jagd- und Urlaubsort für sich entdeckt und somit konnte die Gemeinde bereits im Jahre 1875 653 "Sommerfrischler" in den Bergen willkommen heißen. Der Tourismus entwickelte sich so gut, dass 1911 über 19.000 ihren Urlaub in den Allgäuer Alpen verbrachten.